Gemeinsam mit dem Team des Globalen Klassenzimmers vom Eine-Welt-Zentrum Heidelberg besuchte unser GrunzMobil in der zurückliegenden Woche fünf Heidelberger Schulen. Zunächst skizzierte unser GrunzMobil-Team den Schülern und Schülerinnen anhand von Ausschnitten aus der Dokumentation »Das Schreien der Ferkel« den Lebensweg eines Schweins in der Massentierhaltung. Saskia dos Santos Coelho und Nicolas Thun aus unserem Team erläuterten auch, wie Schweine in der freien Natur ihr Leben gestalten und welche Grundbedürfnisse sie in der industriellen Tierhaltung daher nicht ausleben können. Anschließend diskutierten sie gemeinsam mit den Klassen verschiedene Wege, wie wir alle gegen Massentierhaltung aktiv werden können.
Im direkten Anschluss bereiteten die TeilnehmerInnen mit dem Team des Globalen Klassenzimmers vegane Brotaufstriche zu. Für Begeisterung sorgten Kreationen mit pürierten Kichererbsen, roter Bete, getrockneten Tomaten, Datteln und Räuchertofu. Viele Schülerinnen und Schüler füllten die Aufstriche in ihre Pausenbrotdosen und nahmen sie mit nach Hause. Andere kündigten an, sich im Supermarkt mit den Zutaten einzudecken und zu Hause weiter experimentieren zu wollen.
Es folgt ein kleines Tagebuch der Schul-Tour (die Bilder stammen nicht immer vom jeweiligen Tag).
Tag 1: Elsenztalschule, Bammental, Gemeinschaftsschule, ab Stufe 8
Als wir unser GrunzMobil um 7:30 Uhr aufbauen, ist es noch sehr kalt, doch wir sind gut eingepackt in mehreren Jacken und freuen uns auf die erste Schulklasse. Ein Junge hat heute sogar extra seinen Zahnarzttermin abgesagt, um beim Besuch des GrunzMobils dabei sein zu können.
»Uns ist es wichtig, euch zu vermitteln, dass Tiere und Menschen ganz ähnliche Grundbedürfnisse haben«, erklären wir. »Natürlich gibt es Unterschiede, aber genau wie wir freuen sich Tiere darüber, wenn sie Zeit mit ihrer Familie verbringen, wenn sie sich austoben und miteinander spielen können.«
Bei unseren Unterrichtseinheiten legen wir großen Wert darauf, die Lebenssituation der Tiere für die Jugendlichen nachvollziehbar zu machen. Wir betonen in unserer Einführung aber auch, dass wir traurige, verstörende und schockierende Szenen zeigen werden. Die Filmausschnitte dokumentieren alltägliche Routinen aus der Massentierhaltung und sind mit einer FSK12 freigegeben. Wir erklären dennoch: »Ihr könnt immer weggucken oder euch die Ohren zuhalten, das ist vollkommen in Ordnung.«
Wir fragen, wie viele der Kinder Haustiere haben und ob sie von ihnen erzählen wollen. Sofort gibt es viele Wortmeldungen: »Mein Hund ist total verschmust!«, »Meine Katze ist ziemlich tollpatschig!«, »Ich habe einen Hamster und der ist total schlau!« Wir stellen fest: Bei den sogenannten Haustieren ist uns klar, dass sie viele unterschiedliche Emotionen und Charaktereigenschaften haben. Bei den sogenannten Nutztieren scheinen wir weitestgehend auszublenden, dass sie alle einen ganz eigenen Charakter haben und genauso fühlen und leiden wie wir.«
Tag 2: Internationale Gesamtschule Heidelberg, Gemeinschaftsschule, ab Stufe 8
Wir zeigen den Schülerinnen und Schülern heute Muttersauen mit ihren Ferkeln in den sogenannten Abferkelbuchten: Sie müssen gemeinsam auf engstem Raum leben, die Mutter befindet sich in einem Metallkäfig, der kaum größer ist als sie selbst. Die kleinen Ferkel können weder richtig rennen und sich austoben, noch mit ihren Rüsseln das Erdreich durchwühlen und nach Leckerbissen suchen. Die Gesichtsausdrücke der Kinder vermitteln deutlich ihre Betroffenheit.
Während wir unsere weiteren Filmausschnitte zeigen, wirkt ein Junge sehr nachdenklich und meldet sich dann zu Wort: »Wir alle sind doch eigentlich Schuld an diesen Zuständen, oder?« Eine schwierige Frage, der wir nicht pauschal zustimmen wollen. Nach einigem Überlegen beschließen wir: »Niemand hat wirklich Schuld, aber alle tragen Verantwortung, um das Leiden der Tiere zu reduzieren.«
Viele TeilnehmerInnen haben sich bereits im Biologie- und Ethikunterricht Gedanken über die Lebensbedingungen der Tiere in der Massentierhaltung gemacht. Im Verlauf unserer Präsentation entwickeln sich immer wieder spontane Diskussionen: »Wie kann so etwas überhaupt erlaubt sein? Wie ist das möglich?«, »Das ist doch Tierquälerei!«, »Habt Ihr schon mal bei Angela Merkel angerufen und ihr die Aufnahmen gezeigt? Die muss da doch eingreifen und das verbieten!«
Tag 3: Marie-Baum Schule & Carl-Bosch-Schule, Berufliche Schule, ab Stufe 9
Eine paradoxe Situation ergibt sich heute, als wir mit unseren TeilnehmerInnen gerade mitten in der Präsentation sind und plötzlich einige Schüler aus der Nachbarschule vorbeikommen. »Lecker, Schweinefleisch!«, rufen einige und lachen. »Jetzt erstmal ein leckereres Hähnchen essen«, witzeln andere. Nachdem sie an uns vorbeigelaufen sind, sagen wir: »Seht Ihr, wie widersprüchlich diese Situation war? Wir sitzen hier alle und sind total betroffen. Und dann kommen die anderen, die gar keinen Bezug haben zu dem, was wir gerade gesehen haben, und machen ihre Witze.«
Viele Schülerinnen weinen, als wir die betäubungslose Kastration kleiner männlicher Ferkel zeigen, die nur wenige Tage alt sind. Zunächst werden sie an den Hinterbeinen hochgehoben, dann erfolgen mit dem Skalpell zwei Schnitte in den Genitalbereich. Kurz darauf werden ihnen die Hoden herausgerissen. Während die kleinen Ferkel sich verzweifelt zu befreien versuchen und dabei laut schreien, tragen viele Landwirte Ohrstöpsel. Sie wollen die Panik-, Angst- und Schmerzenslaute der Tiere nicht hören.
Eine Schülerin muss sich ein Taschentuch leihen, um ihre Tränen wegzuwischen, und fragt: »Warum zeigt ihr uns so etwas?« Wir erklären: »Diesen grausamen Eingriff erleiden jedes Jahr 30 Millionen kleine Ferkel. Die meisten Menschen wissen das gar nicht, wenn sie ihr Schweineschnitzel oder ihre Bratwurst kaufen. Wir wollen darüber informieren, damit wir gemeinsam diesem Leiden ein Ende setzen können.«
»Was kann man gegen Massentierhaltung tun?«, fragen wir immer zum Abschluss jeder Unterrichtseinheit. »Das muss viel mehr in die Medien, damit die Menschen davon erfahren!« »Es muss strengere Gesetze geben und bessere Kontrollen.« »Man sollte sich mehr für Tiere einsetzen, mit Petitionen und Demonstrationen.« »Wir sollten weniger Fleisch essen.« Ein anderes Mädchen erzählt, dass eine Freundin vor kurzem vegane Brownies in die Schule mitgebracht hat: «Die waren total lecker!«
Tag 4: Grafeneckschule Helmstadt-Bargen, Haupt-/Werkrealschule, ab Stufe 8
Generell sind heute die jüngeren Schülerinnen und Schüler total begeistert von unserem Besuch. Sie schauen sich in den Pausen unsere Filme ohne Altersbegrenzung an und stürzen sich mit Vergnügen auf die pflanzlichen Brotaufstriche des Eine-Welt-Zentrums.
Im Raum Helmstadt gibt es viele landwirtschaftliche Betriebe und so erzählen einige Schüler von ganz persönlichen Erfahrungen. Ein Schüler hat vor kurzem einen Nebenjob bei einem Putenbetrieb angenommen, wo er die zerlegten Körperteile abpackt. »Auf keinen Fall würde ich Tiere selber töten«, erzählt er uns. Und berichtet: »Jeden Tag kommen 17 Transporter zu unserem Betrieb, das sind wirklich viele Tiere.«
Wir sprechen mit den Klassen über die Lebensbedingungen der Schweine: »Stellt euch vor, eure Toilette wäre gleichzeitig euer Schlafzimmer und euer Wohnzimmer«, führen wir aus. »Stellt euch vor, ihr hättet Hausarrest und dürftet für mehrere Monate nicht nach draußen. Dann herrscht natürlich noch ein unvorstellbarer Gestank im Schweinestall, weil der ganze Kot und Urin auf die Spaltenböden plumpst und die Dämpfe nach oben steigen. Landwirten wird empfohlen, Atemschutzmasken zu tragen, damit ihre Lungen und Atemwege nicht geschädigt werden. Aber wer trägt keine Atemschutzmasken? Die Schweine selbst, obwohl sie doch genauso empfindlich auf den Gestank reagieren!«
»Man sollte diese Menschen fragen, warum es ihnen nichts ausmacht, Tieren solches Leid zuzufügen«, sagt ein Mädchen. Ein anderer Junge fragt: »Kann man die MitarbeiterInnen nicht einfach alle entlassen?« Die Lehrerin gibt zu bedenken: »Aber dann übernehmen doch andere ihre Arbeitsplätze. Du isst doch schließlich auch gerne Fleisch, oder?« Das bringt ihn zum Nachdenken. »Ja…«, antwortet er schließlich, »…leider.«
Tag 5: Julius-Springer-Schule HD, Berufliche Schule, ab Stufe 9
Als wir heute gerade über vegane Ernährung diskutieren, wendet eine Schülerin ein: »Aber da fehlen einem doch wichtige Nährstoffe! Ich kenne einige Veganer, die sind alle ganz blass und mager!« Spontan streichelt unser Aktivist Nico daraufhin über seinen Bauch und muss ein wenig schmunzeln. Viele TeilnehmerInnen begreifen die Szene sofort und lachen. »Ihr habt aber natürlich recht«, ergänzen wir. »Man muss sich bei jeder Ernährungsform darüber informieren, welche Makro- und Mikronährstoffe der Körper benötigt und aus welchen Quellen wir sie beziehen können. Wenn man es richtig plant, ist auch eine vegane Ernährung super gesund und auch für SportlerInnen perfekt.«
Eine Schülerin beginnt heute bereits zu weinen, noch bevor wir das erste Video zeigen. Wir erläutern anhand der Abferkelbuchten, dass die Muttersauen aufgrund der Überzüchtung häufig so viele Ferkel zur Welt bringen, dass gar nicht alle genug zu trinken bekommen. Eine ARD-Reportage zeigt, was mit den sogenannten »Kümmerlingen« passiert: Kleine Ferkel, die schwach sind und nicht schnell genug wachsen, werden an den Hinterbeinen in die Höhe gehoben und dann brutal mit dem Kopf gegen eine Metallwand geschlagen. Die Betriebe haben sogenannte Kadavertonnen, in die tote Tiere hineingeworfen werden. Eine bestimmte Verlustquote während der Mast ist marktwirtschaftlich eingeplant: Der finanzielle Mehraufwand, sich um die kleinen »Kümmerlinge« zu sorgen, wäre größer, als die bereits im Vorfeld eingeplanten Verluste durch Todesfälle.
Für uns als Vortragende ist das immer eine schwierige Situation. Natürlich sehen wir die erschrockenen Gesichter der Schülerinnen und Schüler. Viele halten sich die Hand vors Gesicht oder drehen mit betroffenem Gesichtsausdruck ihre Köpfe zur Seite. Zwei Mädchen wollen auf Nummer sicher gehen: Nachdem wir sie vorgewarnt haben, dass gleich sehr traurige Aufnahmen zu sehen seien, setzen sie sich mit dem Rücken zur Leinwand und stöpseln sich zusätzlich die Kopfhörer ihrer Mp3-Player in die Ohren.
Ganz anders verhält sich eine Schülerin in der ersten Reihe, die sichtlich mit den Tränen kämpft. Wir fragen auch sie, ob sie nicht vielleicht lieber wegschauen will, sie antwortet jedoch: »Ich liebe Fleisch, aber ich wollte mich schon immer einmal damit auseinandersetzen, was das für die Tiere bedeutet. Das ist jetzt total heftig für mich, aber ich möchte das jetzt ansehen.« Die Mitarbeiterinnen des Eine-Welt-Zentrums berichten uns später, dass die Schülerin auch beim Zubereiten der Aufstriche noch sehr emotional und aufgewühlt von dem Gesehenen berichtet hat.
Resümee
Insgesamt informierten wir 28 Klassen der Jahrgangsstufen 7-10 und somit etwa 750 Schülerinnen und Schüler. Auch in den Pausen zeigten wir Informationsfilme, verteilten Broschüren und standen für Fragen zur Verfügung. Und wir wurden eingeladen, im kommenden Jahr wieder zu kommen.
Viele TeilnehmerInnen waren von den Filmaufnahmen und unseren Erklärungen sehr betroffen und haben sich bei uns für die Unterrichtseinheiten bedankt. Und auch die LehrerInnen fanden unsere Besuche informativ und anregend. Besonders dass wir auf den moralischen Zeigefinger verzichteten und stattdessen sachlich informierten sowie die Fragen der SchülerInnen aufgriffen, fanden sie sehr gut.
Um den Schüler und Schülerinnen zu zeigen, dass sie sich gegen Massentierhaltung wehren können, zeigten wir ihnen den Clip »How We Will End Factory Farming« von Farm Forward. Es war uns wichtig, dass sie sich angesichts der gesehenen Sequenzen nicht machtlos fühlen, sondern sehen, dass man gegen Leid und Ungerechtigkeit aktiv werden kann.
Auch mehrere regionale Zeitungen berichteten über unsere Schulbesuche. Und eine Schülerin haben wir zufällig in der Heidelberger Innenstadt wiedergetroffen. Sie erzählte uns: »Seit eurem Besuch bei uns habe ich kein Fleisch mehr gegessen.«
Der Artikel GrunzMobil besucht Heidelberger Schulen wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt veröffentlicht.