Tintenfisch
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Tintenfische sind nicht nur leidensfähig, sie zeichnen sich auch durch einen hohen Bewusstseinszustand, teils komplexes Sozialverhalten und ihre Intelligenz aus. So wurde bei Oktopoden (»Achtfüßern«) gezeigt, dass sie schwierige Probleme lösen und sich mehrere Monate lang an die erarbeitete Lösung erinnern können. Ob es um das Öffnen von Schraubverschlüssen, das Zurechtfinden in Labyrinthen oder das Erkennen und Unterscheiden verschiedener Menschen geht: Tintenfische lernen und beherrschen diese und viele andere Aufgaben schnell. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sie Werkzeuge benutzen können. Darüber hinaus wissen wir, dass Oktopoden individuelle Persönlichkeiten besitzen und z. B. ganz unterschiedlich mit reizarmen Umgebungen (die sie offenbar langweilen) umgehen. Dazu gehört u. a., dass sie mit Gegenständen spielen: Sie werfen die Gegenstände wiederholt gegen Hindernisse, damit sie dort abprallen und wieder aufgefangen werden können.

Unter den verschiedenen Tintenfischarten sind die Oktopoden am besten untersucht. Daher beziehen sich viele Informationen in diesem Artikel auf Oktopoden. Inwiefern sie auf alle Tintenfischarten übertragbar sind, ist derzeit unklar, wobei fehlende Forschung keinen beliebigen Umgang mit Tieren legitimiert.

Das Verhältnis zwischen Körper- und Hirngewicht ist bei Tintenfischen ähnlich hoch wie bei vielen Wirbeltieren. Das Nervensystem ist hierarchisch organisiert, zentralnervös konzentriert und wird von einer Vielzahl an Neurotransmittern gesteuert. Allerdings ist das Gehirn eines Tintenfisches so grundlegend anders gebaut als ein Wirbeltiergehirn, dass man die Tiergruppen nur schwer miteinander vergleichen kann. So befinden sich beim Oktopus rund 60 % der am Verhalten beteiligten Neuronen gar nicht zentral im Gehirn, sondern dezentral in den Armen, was ein erstaunliches »Multitasking« der verschiedenen Extremitäten ermöglicht und eine effektive Betäubung beispielsweise durch Schläge auf den Kopf massiv erschwert.

Fang von Oktopoden durch den Menschen

Oktopoden werden mit Fanghaken, Fallen oder Fangtöpfen individuell gefangen. Diese Methoden sind relativ selektiv und haben wenig Auswirkung auf die Umwelt. Allerdings sind sie aus Tierschutzsicht problematisch – insbesondere die Entfernung der Tiere aus dem Fanggerät sowie die dann folgende Schlachtung.

Im Mittelmeerraum stammen noch ca. 80 % der gefangenen Oktopoden aus Fallenfischerei. Industrielle Fischer arbeiten dagegen meist mit Grundscherbrettnetzen. Diese sehr unspezifische Fangmethode ist auch besonders schädlich für die Umwelt, weil immer auch geschützte Arten gefangen und die Lebensgemeinschaften am Meeresboden massiv geschädigt werden. Auch hier sind aus Tierschutzsicht das Leiden durch die Fangprozedur, das Verbringen an Deck sowie die Schlachtung/Tötung der gefangenen Tintenfische ohne Betäubung äußerst problematisch.

Stress und Leiden vor und während des An-Bord-Bringens

Bei der Grundschleppnetzfischerei erleiden Oktopoden von dem Moment an Stress, in dem sie aus ihren Verstecken aufgescheucht werden und versuchen, vor dem Netz zu fliehen. Im Netz selbst wird der Stress durch die unvermeidbare Nähe potenzieller Fressfeinde sowie durch Druck beim Einholen des Netzes massiv gesteigert. Dennoch überleben Oktopoden zumeist die Fangprozedur – im Gegensatz zu vielen Fischen. Beim Fang mit Fallen hingegen ist der Stress deutlich verringert, da die Tintenfische die Fallen freiwillig aufsuchen. Das Anbordholen ist allerdings auch hier mit Stress verbunden.

Sobald sie an Deck der Fangschiffe sind, erhöht sich der Stress für die gefangenen Tiere extrem. Dem Erstickungstod an der Luft versuchen die Tintenfische unverzüglich durch Flucht zu entgehen – sie sind diesbezüglich anders als die mitgefangenen Fische nicht hilflos. Bei Netzfischerei werden Tintenfische daher in der Regel als erste Tiere vom übrigen Fang separiert und unbeweglich gemacht. Bei der Fischerei mit Fallen entsteht das Problem, dass die Tintenfische die Fallen nicht freiwillig verlassen. Um den gewaltsamen Prozess des Aus-der-Falle-Herausreißens zu erleichtern, verätzen die Fischer die Tiere daher oft mit Bleichmittel. Der Schmerz auf der Körperoberfläche und in den empfindlichen Augen führt nach kurzer Zeit dazu, dass sie das schützende Behältnis loslassen.

Betäubung und Schlachtung von Tintenfischen – grausam und methodisch nicht erforscht

Im kommerziellen Fischfang im Mittelmeerraum werden Tintenfische traditionell getötet, indem man ihren Mantelsack (Kopf) wiederholt kräftig auf eine feste Oberfläche schlägt oder das Gehirn mit einer Klinge zerstört. Alternativ wird der Mantelsack brutal nach außen gestülpt oder mehrere Tiere an der Luft in einem Netz aufgehängt. Im asiatischen Raum (Japan) werden Tintenfische in der Regel auf Eis gekühlt, bis sie sich nicht mehr bewegen können. Alle aufgeführten Methoden sind besonders grausam, da keine davon geeignet ist, unverzüglich und ohne unnötigen Stress eine Bewusstlosigkeit und anschließend einen schmerzfreien Tod herbeizuführen.

Das Zerstören des Gehirns wäre im Vergleich noch als die schnellste und damit zu bevorzugende Methode zu bewerten, wenn man darauf besteht, dass der Mensch Oktopoden tötet. Doch in der Praxis wird sie nur selten eingesetzt, weil solcherart getötete Oktopoden offensichtliche Stichwunden aufweisen, die vom Endkunden auf dem Fischmarkt und in der Gastronomie ironischerweise oft als Hinweise auf grausame Behandlung interpretiert werden. Zudem führen Unkenntnis der Anatomie von Tintenfischen beim Fangpersonal dazu, dass beim Tötungsversuch statt eines schnellen gezielten Stichs ins Gehirn ein Stochern bis zum augenscheinlichen Erfolg angewandt wird.

Die Traumatisierung des Gehirns durch Schlagen war lange Zeit die üblichste Methode, ist für den Menschen aber körperlich anstrengend und wird daher immer seltener eingesetzt. Aufgrund der grundlegend andersartigen, dezentralen Organisation des Nervensystems von Tintenfischen im Vergleich zu Fischen (s. o.) ist es zudem sehr wahrscheinlich, dass auch diese Methode mit massivem Leid für den Tintenfisch verbunden ist.

Auch das Umstülpen des Mantels nach Außen, das Sterbenlassen in einem Netz an der Luft oder auf Eis sind als besonders grausame und langwierige Tötungsmethoden grundsätzlich abzulehnen. Beim Umstülpen kommt es zu massiven Verletzungen der inneren Organe und zu einem minutenlangen Todeskampf bei vollem Bewusstsein. Das Aufhängen im Netz führt zum langsamen und qualvollen Erstickungstod und damit verbundenen langanhaltenden Fluchtversuchen der sterbenden Tintenfische. Beim Kühlen auf Eis unterbleiben zwar jegliche Fluchtbewegungen, weil die Muskulatur durch Kälte gelähmt wird. Es mehren sich aber wissenschaftliche Ausführungen dafür, dass Kälte die Tintenfische nicht betäubt, sondern ihnen langanhaltende Schmerzen verursacht. Der Tod tritt erst später durch Ersticken ein.

Weil der Schutz von Weichtieren wie Tintenfischen gesellschaftlich erst in jüngster Zeit als ethisch erforderlich erkannt wurde, liegen noch keine hinreichenden Forschungsergebnisse über Betäubungs- und Schlachtmethoden vor, die das Leid der Tiere wirksam auf ein Minimum reduzieren. Die oben geschilderten Aspekte beruhen auf Einschätzungen von OktopusforscherInnen des EU-Projekts CephsInAction.

Ist Aquakultur die Lösung?

Angesichts der katastrophalen Bedingungen beim Wildfang könnte man vermuten, dass Aquakulturen Lösungen schaffen könnten. In der Tat gibt es in mehreren Ländern Bemühungen, Tintenfische in Aquakulturen zu züchten. Allerdings führt das zu neuen Problemen.

Ökologische Belastung

Tintenfische sind carnivor. Bis man sie schlachten kann, brauchen sie in der Regel mindestens das Dreifache ihres Schlachtgewichts an Futter – Stress erhöht den Nährstoffbedarf. Das Futter besteht u. a. aus Fischmehl, das in aller Regel aus Wildfang stammt und die Überfischung der Meere weiter vorantreibt. Hinzu kommen ökologische Belastungen durch Ausscheidungen, Herbizide, Desinfektionsmittel und Krankheitsübertragungen von entkommenen Tieren auf Wildtiere.

Tierschutzprobleme

In Oktopus-Aquakulturen stirbt in der Regel ein hoher Anteil der Tiere noch vor der Schlachtung. Die Gründe dafür sind unter anderem, dass Oktopoden sich gegenüber Artgenossen meist aggressiv verhalten, was – auch mangels Fluchtmöglichkeiten für unterlegene Tiere – oft zum Tod führt. Die Alternative der Einzelhaltung, die aus ökonomischer Sicht in relativ kleinen Behältnissen erfolgen würde, kann auch keine Lösung sein, da Aquakulturen selbst in großen Flächen vermutlich nicht die Bedürfnisse der Oktopoden nach einer abwechslungsreichen Umgebung und mentaler Stimulation erfüllen könnten.

Fazit: Tintenfische gehören nicht auf den Teller

Die Tierschutzprobleme in Bezug auf den Wildfang und die Zucht/Mast von Tintenfischen sind immens. Unternehmen sollten den Handel und die Verwendung von Tintenfischen beenden. VerbraucherInnen empfehlen wir, keine Tintenfische zu essen und sich pflanzliche Gaumenfreuden zu suchen.

Der Artikel Tintenfische: schützen, nicht essen wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt veröffentlicht.

http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell