Küken
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Als der ehemalige Landwirtschaftsminister von NRW, Johannes Remmel, im Jahr 2013 das Töten männlicher Küken in der »Legehennen«-Zucht verbot, klagten zwei Brütereien dagegen. Nach einem langen Rechtsweg hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2019 Johannes Remmel im Kern Recht gegeben: Das Kükentöten ist mit dem Tierschutzgesetz nicht vereinbar. Daraufhin ließ sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zwei Jahre lang Zeit, einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Seit Anfang 2022 ist das Kükentöten nun endlich verboten.

Die Alternativen und Probleme, vor denen Brütereien, Produzenten und Handel nun angesichts von 45 Millionen »ungewollter« männlicher Küken stehen, sind vielschichtig. Aktuell gibt es folgende Möglichkeiten, mit der neuen Rechtslage umzugehen:

Geschlechtsbestimmung im Ei

Bei dieser Methode werden die Eier mit männlichen Embryonen noch vor dem Schlupf aussortiert. Das kann bislang erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Embryonen bereits Schmerzen empfinden können. Ab 2024 wird daher auch das Töten von Embryonen nach dem sechsten Bebrütungstag verboten sein.

Das Verfahren zur Geschlechtsbestimmung ist noch sehr teuer und die Kapazitäten reichen bislang nicht aus, um die mehr als hundert Millionen Eier pro Jahr für den deutschen Markt zu untersuchen. Ob das Verfahren sich durchsetzen kann, ist ungewiss. Wünschenswert wäre es aus Tierschutz-Sicht jedenfalls nicht: Denn dadurch würde sich in der Zucht von extremen Hochleistungsrassen und der Haltung der Hennen nichts ändern.

Mast der Hähne

Bei dieser Methode werden weiterhin alle Eier ausgebrütet. Die Brüder der »Legehennen« werden nach dem Schlupf aussortiert und gemästet.

Allerdings wachsen die Tiere aus den Legerassen deutlich langsamer als die »Masthuhn«-Rassen und erreichen nicht deren extremes Gewicht. Ihr Fleisch ist dadurch teurer in der Herstellung und schmeckt auch anders. In Deutschland wird es bisher kaum nachgefragt und daher oft billig exportiert.

Für die Mast der männlichen Küken gibt es keine konkreten rechtlichen Vorgaben. Nach unserem Kenntnisstand führt das häufig dazu, dass:

  • lange Tiertransporte in Kauf genommen werden und die Küken von Deutschland z. B. nach Polen gebracht werden, um sie dort zu mästen,
  • die Haltungsbedingungen schlecht sind,
  • die Küken aus Kostengründen nur wenig Futter bekommen und hungern,
  • die Mast so kurz ist, dass das Fleisch der Tiere nicht für den menschlichen Konsum, sondern nur als Tierfutter verwendet werden kann,
  • die Schlachtmethoden qualvoll sein können (insb. Fehlbetäubungen im Elektrowasserbad),
  • es keine Vorgaben zu Transport, Mast und Schlachtung gibt, oder es zwar Vorgaben, aber keine Kontrollen gibt.

Umstieg auf Zweinutzungshühner

»Zweinutzungshühner« sind Rassen, bei denen die weiblichen Tiere nicht ganz so viele Eier legen wie die üblicherweise verwendeten »Hochleistungslegehennen« (sogenannte Legehybride). Dafür wachsen ihre Brüder relativ schnell und können besser für die Mast genutzt werden als die Brüder der »Legehybriden«. Sie sind für die Industrie also sowohl in der Eier- als auch in der Fleischproduktion halbwegs rentabel.

Diese Rassen leiden weniger unter Qualzucht. Bislang kommen sie aber nur sehr selten zum Einsatz.

Import aus dem Ausland

Man importiert Junghennen (»Legehennen«, die noch keine Eier legen) oder Eier/Eiprodukte aus dem Ausland. Dort ist das Töten der männlichen Küken noch nicht verboten und wird auch durchgeführt, solange keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen (und kontrolliert) werden. Dieses Verfahren unterläuft somit die deutschen Tierschutzstandards.

Gentechnische Verfahren

Ein gentechnisches Verfahren, das dazu führt, dass männliche Embryonen im Ei absterben, befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. Wir und auch die breite Öffentlichkeit sehen gentechnische Veränderungen an Tieren sehr kritisch.

Lösungsmöglichkeiten

Der Umstieg auf »Zweinutzungshühner« wäre die beste Lösung für das Qualzuchtproblem. Es müssen aber Vorgaben für die Haltung der Hennen und die Mast ihrer männlichen Geschwister eingehalten werden, um Qualhaltung zu vermeiden.

Wenn sich die Eierindustrie und ihre Großabnehmer nicht zum Umstieg auf Zweinutzungshühner durchringen können, dann wäre die Geschlechtsfrüherkennung im Ei eine – wenn auch schlechtere – Alternative. Hier muss ein Fokus darauf gesetzt werden, möglichst bald Verfahren einzusetzen, die das Geschlecht zu einem Zeitpunkt feststellen, zu dem die Embryonen definitiv noch kein Schmerzempfinden haben.

Ob Eier und Küken aus Betrieben mit Kükentöten nun importiert werden oder das Fleisch der ungewollten Hähne exportiert wird – bislang verlagert das Verbot des Kükentötens die Probleme der Massentierhaltung nur. Ohne dass die Produktionsmengen und der Konsum von Tierprodukten – in diesem Fall Eiern – sinken, wird sich daran nichts ändern. Das Grundproblem bleibt die massenhafte Zucht und Nutzung von Lebewesen unter der Prämisse von Effizienz und Gewinnmaximierung.

In einer Stellungnahme des Bündnis für Tierschutzpolitik fordern wir die Politik deshalb unter anderem dazu auf, Geld in die Forschung und Entwicklung von Ei-Alternativen zu stecken. Auch Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen, die die Menschen zu einem bewussten und verantwortungsvollen Konsum tierlicher Lebensmittel anregen, sind dringend notwendig.

Zum Glück kann jede:r bei sich selbst anfangen und tierfreie Alternativen ausprobieren. Hilfreiche Tipps und Rezepte finden Sie in unserer Vegan Taste Week.

Der Artikel Kükentöten-Ausstieg: schlechte Umsetzung wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt veröffentlicht.

http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell