Unser GrunzMobil besuchte in der vergangenen Woche in Kooperation mit dem Globalen Klassenzimmer vom Eine-Welt-Zentrum Heidelberg vier Schulen im Heidelberger Raum. Anhand von Filmausschnitten aus der Dokumentation »Das Schreien der Ferkel« informierte unser Einsatzteam die SchülerInnen über den Lebensweg von Tieren in der Massentierhaltung. Mit den Klassen diskutierte das Team über Wege, gegen diese Zustände aktiv zu werden.
Der zweite Teil der Unterrichtseinheit führte die TeilnehmerInnen in die Schulküche: Dort stellten sie mit dem Team des Globalen Klassenzimmers aus Kichererbsen, Datteln, getrockneten Tomaten und roter Bete vegane Brotaufstriche her, die für große Begeisterung sorgten. An Infotischen in den Schulfoyers konnten auch die übrigen SchülerInnen davon probieren.
Unsere GrunzMobil-Besuche an Schulen haben im letzten Jahr hohe Wellen geschlagen: Nachdem mehrere Zeitungen berichteten, wie betroffen die Schülerinnen und Schüler auf die Filmaufnahmen aus der Massentierhaltung reagierten, versuchten Landtagsabgeordnete Einfluss zu nehmen und weitere Besuche des GrunzMobils an Schulen zu verhindern. In diesem Jahr kam es bereits im Vorfeld unserer Einsätze zu einem Interventionsversuch: Ein Bürgermeister bemühte sich, telefonisch bei der Schulleitung anzuordnen, das GrunzMobil wieder auszuladen, scheiterte jedoch an der Courage des Direktors.
Auch dieses Mal hat unser Einsatzteam, bestehend aus Nicolas Thun, Elisa Volkmer und Aaron Bangert, seine Eindrücke in Tagebuchform festgehalten. Die Bilder stammen nicht immer vom jeweiligen Tag.
Tag 1: Marie-Baum-Schule, Heidelberg, Stufen 10 bis 12
Nachdem wir uns vorgestellt haben, wollen wir von den Schülerinnen und Schülern erfahren: »Was bedeutet Massentierhaltung? Was versteht ihr darunter?« Wiederholt heißt es, dass viele Tiere auf engem Raum zusammenleben müssen. Immer wieder fallen bewertende Sätze wie »Das ist eine Qual für die Tiere!«, »Massentierhaltung ist ungerecht!«, »Mich macht es traurig, dass man so mit Tieren umgeht« und »Jeder hat doch das Recht auf ein schönes Leben!«.
Die emotionalsten Reaktionen folgen meist auf Aufnahmen von kleinen Ferkeln, die ohne Betäubung kastriert werden. Auch Bilder, in denen Kaninchen geschlachtet werden und das Fell abgezogen bekommen, berühren die SchülerInnen. »Ich finde es schlimm, dass die Menschen den Tieren das antun. Die Tiere können ja schließlich nichts dafür«, sagt ein Mädchen. »Man fühlt sich irgendwie schuldig«, gibt ein Schüler betroffen zu.
Wir möchten erfahren, ob sich jemand vegetarisch ernährt. Nachdem einige sich melden, wirft eine Schülerin ein: »Ich auch. Ab heute!«
In der Schulküche verkosten die SchülerInnen später mit ihrer Lehrerin die veganen Aufstriche. Diese ist begeistert: »Die sind alle so lecker. Ich weiß gar nicht, welcher der beste ist!«
Tag 2: Carl-Bosch-Schule, Heidelberg, Stufen 10-11
Wir wollen die SchülerInnen dafür sensibilisieren, wie massiv sich die realen Lebensbedingungen der Tiere in der Massentierhaltung von den Idyllen unterscheiden, die auf Produktverpackungen und in der Werbung zu sehen sind. Ein Schüler sagt nachdenklich: »Im Grunde kann man nie wissen, welches Fleisch aus der Massentierhaltung kommt. In einem McDonald’s kann es ja auch sein, dass es aus Massentierhaltung stammt.« Daraufhin entgegnet ein Mitschüler: »Bei McDonald’s kannst du hundertprozentig sicher sein, dass es aus Massentierhaltung ist.«
Auf unsere Frage, wie die Jugendlichen mit dem Wissen um die Lebensbedingungen der Tiere umgehen, antwortet ein Schüler ganz offen, »Ich verdränge das.« Doch woran liegt es eigentlich, dass fast alle Menschen solche Bilder grausam finden, sie aber dennoch gleich wieder verdrängen, wollen wir wissen.
Ein Schüler ist nachdenklich: »Massentierhaltung ist scheiße. Aber was bringt es, wenn ich weniger Fleisch esse? Dann essen die anderen einfach mehr.« Sofort meldet sich ein Mitschüler zu Wort: »Schau mal, wir sind 25 Menschen in der Klasse. Wenn wir alle einen Tag in der Woche auf Fleisch verzichten, macht das schon einen großen Unterschied.«
Wir sind immer wieder beeindruckt, wie die SchülerInnen das Gesehene verarbeiten. »Wenn ich das konsequent zu Ende denke, wird es schwierig, jeden Tag mein Huhn zu essen«, sagt ein Schüler. Auch Bio-Fleisch sei keine Lösung, »den Tieren geht es da doch auch nicht wirklich besser.«
Nach der Schulstunde haben wir ein bewegendes Gespräch mit einem Lehrer. »Rational und emotional habe ich vollkommen verstanden, wie schlimm die Massentierhaltung ist«, sagt er. »Wir nehmen das Thema auch regelmäßig im Unterricht durch. Trotzdem schaffe ich es immer noch nicht ganz, auf Fleisch zu verzichten. Es gibt eigentlich kein anderes Thema, bei dem das so ist.« Unserer Empfehlung folgend trägt er sich für unsere Vegan Taste Week ein.
Tag 3: Realschule Waibstadt, Stufen 7-10
Auf dem Schulhof ist es heute morgen so kalt, dass wir mit der Lehrerin entscheiden, in den Medienraum zu wechseln.
Es ist immer wieder eindrücklich, wie die Schülerinnen und Schüler ihre Betroffenheit in Worte fassen: »Die armen Tiere. Sie spüren das doch!«; »Ich finde auch krass, dass die Mitarbeiter das machen. Ich könnte das nicht«; »Das macht mich voll traurig. Die Tiere wollen ja auch leben. Und sie haben Todesangst.«
Wir geben zu Bedenken, dass fast alle Menschen schockiert sind, wenn sie sehen, wie mit den Tieren umgegangen wird, und fragen, warum dann nicht schon längst viele Millionen gegen Massentierhaltung demonstrieren. »Weil wir nur aufs Geld schauen«, sagt einer, »und weil es mittlerweile ja ein bisschen normal ist.« Ein anderer fügt hinzu: »Die Tiere sind uns nicht nah. Wir sehen sie im Normalfall gar nicht.« Besonders im Gedächtnis bleibt uns die Äußerung, »Vielleicht müssen wir zuerst aufhören zu verdrängen, damit wir an den bestehenden Zuständen etwas verändern können.«
Wir werfen auch ganz grundsätzliche Fragen auf: Warum töten Menschen Tiere, und warum essen wir eigentlich Fleisch? Die Antwort »Weil es schmeckt« klingt etwas resigniert. Eine Schülerin führt aus: »Das war schon immer so. Das ist ja Tradition.« Wir wenden ein, dass sich Traditionen ändern können.
Tag 4: Kraichgau Realschule Sinsheim, Stufen 9-10
Noch vor Unterrichtsbeginn werden wir herzlich vom Direktor begrüßt. Der Bürgermeister hatte ihn angerufen und wollte anordnen, den GrunzMobil-Besuch abzusagen, weil im Gemeinderat zwei Mitglieder der örtlichen Fleischerinnung sitzen. Der Direktor hat sich aber nicht beeinflussen lassen. Er findet es wichtig, dass die Zustände in der Massentierhaltung gezeigt werden und wünscht uns viel Erfolg für den Tag.
Bevor wir die Videos ansehen, erklären wir regelmäßig: »Wir wissen, dass es schmerzhaft und schwierig ist, sich das anzuschauen. Uns fällt das auch schwer. Viele Menschen wissen gar nicht, dass kleine Ferkel ohne Betäubung kastriert werden. Uns ist es wichtig, euch zu informieren. Denn erst wenn wir von einer Ungerechtigkeit wissen, haben wir auch die Möglichkeit, etwas dagegen zu tun.« Eine Schülerin bestätigt uns: »Ich finde es sehr gut und wichtig, dass Sie diese Bilder zeigen, um den Menschen bewusst zu machen, wie es den Tieren geht.«
Uns beeindruckt, welche Ideen die SchülerInnen haben, um sich gegen Massentierhaltung zu engagieren. Politiker zu werden, um dann Gesetze verabschieden zu können, die solche Zustände verbieten, ist nur ein Vorschlag. »Man muss den Leuten klarmachen, dass es so nicht weitergehen kann, und dass Tiere auch Gefühle haben. Man muss so vielen Menschen wie möglich die Augen öffnen«, sagt eine Schülerin.
Ein Teilnehmer fasst zusammen: »Wir sind ja im Grunde die kommende Generation, wir sind die Zukunft. Wir haben die Möglichkeit, wirklich etwas zu verändern.« Sein Lehrer bestätigt: »Habt ihr das gehört? Ihr seid die Zukunft! Ihr könnt ganz viel verändern in den nächsten 20 bis 30 Jahren.« Der Schüler protestiert: »Warum erst in 20 bis 30 Jahren? Ich meine jetzt gleich!«
Resümee
Insgesamt informierten wir in diesem Jahr rund 750 Schülerinnen und Schüler aus 29 Klassen der Jahrgangsstufen 7 bis 12. In den Freistunden und Pausen ergaben sich zusätzliche Gespräche. Viele Interessierte versorgten sich mit Broschüren und meldeten sich für die Vegan Taste Week an.
Wie bereits im Vorjahr erzeugten unsere Filmaufnahmen große Betroffenheit. Viele schauten nahezu ungläubig auf die Leinwand, waren sichtlich angespannt oder hatten Tränen in den Augen.
Von den Lehrerinnen und Lehrern bekamen wir positives Feedback für unsere Unterrichtsstruktur. Sie fanden es wichtig und zielführend, dass wir die Lebensbedingungen der Tiere sachlich darstellten und zu einer offenen Diskussion des Gesehenen einluden. Hierdurch konnten alle eigene Gedankengänge formulieren und sich eine differenzierte Meinung bilden.
Sechs Schülerinnen haben wir nach den Unterrichstagen in der Heidelberger Innenstadt wiedergetroffen. Sie berichteten, dass unser Besuch auch an den folgenden Tagen für reichlich Gesprächsstoff gesorgt hat. Von einer erfuhren wir, dass sie jetzt Vegetarierin geworden ist. Viele weitere wollen ihren Fleischkonsum verringern.
Der Artikel GrunzMobil besucht erneut Heidelberger Schulen wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt veröffentlicht.