Veganfreundliche Krankenkassen
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Die große Zahl an Krankenkassen in Deutschland wirkt zwar schnell etwas unübersichtlich, sorgt dafür aber auch für Vielfalt und spezielle Angebote. Es gibt sogar Krankenkassen, die sich explizit für eine vegane Ernährung aussprechen und mit individuellen Leistungen VeganerInnen unterstützen. Wir haben uns zunächst bei den größten nach ihrer Meinung zu veganer Ernährung umgehört und uns zudem auf die Suche nach besonders veganfreundlichen Krankenkassen gemacht.

Vegan bei den »Großen«: gemischte Gefühle

Die zehn größten deutschen Krankenkassen nach Mitgliederzahlen sind die Techniker Krankenkasse, die Barmer GEK, die DAK, die IKK Classic und regionale Ableger der AOK. Der VEBU hat bereits 2014 in einer Umfrage herausgefunden, dass 75 % der von ihnen befragten Krankenkassen eine »vernünftig geplante vegetarische Ernährung« als gesundheitsförderlich einschätzen. Alle gängigen Kassen stellen mittlerweile ebenfalls Informationen zu veganer Ernährung auf ihren Internetseiten zur Verfügung, wobei sich jedoch der jeweilige Unterton und der Umfang der Informationen unterscheiden. Wir haben uns zunächst die Aussagen der fünf größten angeschaut.

Techniker Krankenkasse (TK)

Die mitgliederstärkste deutsche Krankenkasse berichtet generell recht wenig über vegane Ernährung, zeigt aber auf einer Übersichtsseite zu vegetarischen Ernährungsformen eine eher skeptische Einstellung zu vegan. Unter anderem wird die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und deren kritische Haltung gegenüber der veganen Ernährung, insbesondere im Hinblick auf Schwangere und Kinder, zitiert. Nichtsdestotrotz gibt die TK einige Tipps wie die Supplementierung von Vitamin B12 und den Hinweis auf regelmäßige Blutuntersuchungen (die jedoch – wie bei den meisten Kassen – nicht per se präventiv übernommen werden). Weitere Hinweise gibt es in einer Broschüre zu Ernährung. Eine TK-Ernährungsexpertin lässt in einem extern veröffentlichten Artikel zumindest teilweise positive Töne anklingen. Außerdem findet sich das ein oder andere vegane Rezept bei der TK.

Barmer GEK

Auf den Ernährungsseiten der Barmer GEK klingen auch Tierschutzaspekte in der kurzen Vegan-Definition an. Hier gibt es zwar keine ausführlichen Ernährungstipps, aber zumindest wirkt die Formulierung recht objektiv: »Veganer sollten sich intensiv mit ihrer Ernährung auseinandersetzen, um einen Nährstoffmangel (insbesondere von Vitamin B12) zu vermeiden.« Auf den Seiten des Barmer-Magazins gibt es weitere Informationen, die sogar die vor allem in den Medien stattfindende »Experten-Debatte« um vegane Ernährung recht objektiv beleuchten. Auch hier gibt es den Rat zu regelmäßigen Vitamin-B12-Bluttests, die jedoch ebenfalls meist nicht von der Barmer übernommen werden.

DAK

Mit dem Fazit »Vegane Ernährung ist gut für Lebensmittel-Kenner« endet ein recht ausgewogener und positiver Bericht auf den Seiten der DAK. Der Tierschutz wird als Hauptmotiv vieler VeganerInnen ebenfalls genannt. Kindern, Älteren und Schwangeren wird jedoch auch hier abgeraten, sich vegan zu ernähren. Einige positive Gesundheitsaspekte von Fleischverzicht werden in der Broschüre »Fit Food« genannt, ansonsten ist das Angebot an veganen Informationen recht überschaubar.

IKK Classic

Bei der IKK findet sich generell recht wenig zu veganer Ernährung, wobei zumindest in einem ausführlichen vegetarischen Grill-Special auch die vegane Variante kurz angedeutet wird. Als Gesundheitspartner eines Radiosenders präsentiert die IKK außerdem einen Podcast zu veganer Kinderernährung, der zwar vorsichtig, aber größtenteils ausgewogener als andere Quellen berichtet. Von veganer Ernährung abgeraten wird dagegen in einem allgemeinen Artikel zur Schwangerschaft. Wiederum ein positives Statement einer IKK-Ernährungsexpertin findet sich in einem kurzen, externen Artikel: »Nach Ansicht der meisten Ernährungswissenschaftler ist vegane Ernährung aber durchaus gesund und auch bedarfsgerecht.«

AOK

In einem Infoartikel zu Gemüse wird vegane Ernährung definiert, wobei der Unterton deutlich skeptisch klingt und eine Familie berichtet in einem tagebuchähnlichen Beitrag, wie es ihr bei einem veganen »Selbstversuch« ergangen ist. Dabei wird von der AOK zunächst recht positiv resümiert: »Wir empfehlen daher eine überwiegend pflanzliche Mischkost. Eine vegane Ernährung ist für gesunde Menschen bei einer optimalen Zusammenstellung der Kost aber theoretisch machbar.« Schwangeren, Stillenden, Kindern und Älteren rät auch die AOK von veganer Ernährung ab (siehe dazu auch die Angaben auf dieser Seite – vegetarisch scheint allerdings akzeptiert zu sein). Ansonsten gibt es noch einige Ernährungsinformationen in dem Artikel: »Wer viel Freude am Kochen mit frischen Zutaten hat, kann es aber auch bei veganer Ernährung schaffen, rundum gut versorgt zu sein.« Auch ein Hinweis auf Kleidung, Kosmetik und Ökologie fehlt nicht. Recht kritisch wird in einem anderen Artikel über Fleischalternativen berichtet, dafür gibt es aber direkt vegane Rezeptvorschläge vom Blog »eat this!« zum Selbstkochen dazu.

Veganfreundliche Krankenkassen? Drei kleinere glänzen

Auch wenn die Kassen sich größtenteils nicht im Hinblick auf die meisten medizinischen Leistungen unterscheiden, haben sie einen gewissen Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Satzung, sodass dort einzelne Schwerpunkte gesetzt werden können (z. B. bei familienfreundlichen Angeboten oder alternativen Heilmitteln).  Während die meisten großen Krankenkassen nur im Rahmen ihrer Ernährungsseiten über vegane Ernährung informieren und mehr oder weniger Praxistipps bereitstellen, gibt es drei kleinere Kassen, die sich die Unterstützung der veganen Lebensweise auf die Fahnen geschrieben haben. Trotz ähnlicher Ziele und Namen gehören sie allerdings nicht zusammen.

BKK ProVita

Die BKK ProVita setzt sich bereits seit einiger Zeit für die vegane Ernährung ein und bietet ein explizites Leistungsangebot für ihre veganen bzw. vegan-interessierten Versicherten: Dazu gehören Informationen auf der Website, Ernährungsvorträge in der Hauptverwaltung, die Bezuschussung von Gesundheitsreisen mit vegan-vegetarischer Verpflegung sowie eine kostenlose Ernährungsberatung durch eine vegan-kundige Ernährungswissenschaftlerin. Die BKK ProVita weist darauf hin, dass sie Blutuntersuchungen auf Nährstoffe wie Vitamin B12 in gewissem Umfang übernimmt, wenn dies von der Ärztin bzw. dem Arzt angeordnet wird.

Der Vorstand der ProVita lebt ebenfalls vegan und berichtet öffentlich über die Vorteile, die er selbst durch die Ernährungsumstellung erlebt hat. Auch der Tierschutzgedanke spielt bei der BKK ProVita eine Rolle: Die Kasse wurde im Jahr 2015 mit dem PETA Progress Award als veganfreundlichste Krankenkasse ausgezeichnet, arbeitet u. a. mit veganen Organisationen zusammen. Außerdem wird eine kostenlose Rezeptbroschüre angeboten, die aus der Zusammenarbeit mit der veganen Kochbuchautorin Stina Spiegelberg entstanden ist.

BKK advita

Die BKK advita fördert die vegane Ernährung progressiv und unterstützt ihre Versicherten dabei. Bereits ab 2013 kämpfte sie vor Gericht für ein alternatives Vorsorgeangebot für VeganerInnen, bei dem die Kosten für vorsorgliche Blutuntersuchungen (z. B. auf einen Vitamin-B12-Mangel) von der Kasse übernommen werden. Im Juni 2016 wurde die Klage auf ein solches Angebot zwar erneut abgelehnt, aber trotzdem ist die Stimmung optimistisch: Die BKK advita schreibt, dass es ein »Happy End« geben und die Kostenübernahme solcher Untersuchungen ab 2017 als Satzungsleistung den Versicherten zur Verfügung stehen wird. Dies wäre ein Meilenstein für die Debatte um die Kostenübernahme solcher Bluttests.

Beim Bonusprogramm kann als Prämie u. a. ein Bioladen-Gutschein oder ein Zuschuss zu individuellen Untersuchungen wie beispielsweise einem Test des Vitamin-B12-Status angefordert werden.

pronova BKK

Die pronova BKK erhielt im Jahr 2010 den Peta Progress Award für die »veganfreundlichste Krankenkasse«. Auf ihrer Vegan-Übersichtsseite finden sich auch speziellere Artikel zu versteckten tierlichen Zusatzstoffen, Tierversuchen und Arzneimitteln sowie veganer Schwangerschaft. Auf dem Jugendportal der Kasse wird ebenfalls z. B. über rein pflanzliche Schwangerschaften berichtet. Neben Rezepten mit Tierprodukten gibt es auch vegane Rezepte. Ökologische Überlegungen werden im Bericht über Fleischkonsum deutlich. Leider gibt es derzeit keine spezifischen Leistungen und Aktionen, die besonders für vegane Versicherte von Vorteil sein könnten.

Unser Fazit

Die großen Krankenkassen berichten in unterschiedlichem Umfang über vegane Ernährung. Leider raten alle genannten Kassen von einer rein pflanzlichen Schwangerschaft und Kinderernährung ab, anstatt konkrete Hinweise für vegane Schwangere, Stillende und Eltern bereitzustellen. Möglich ist eine gesunde vegane Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit, wenn Eltern fundiertes Ernährungswissen sammeln und regelmäßige Kontrollen bedenken – dies bestätigen nicht zuletzt Ernährungsorganisationen wie die amerikanische A. N. D. und lesenswerte Ratgeber für vegane Eltern.

Umso erfreulicher ist es, dass drei kleinere Krankenkassen damit auffallen, wie sie über die vegane Ernährung und ihre Gesundheitsvorteile zu berichten. Darüber hinaus gibt es sogar erste explizite Vorsorgeangebote sowie Beratungs- und Informationsleistungen für vegane Versicherte. Wir freuen uns über die steigende Präsenz veganer Ernährung im Krankenkassen- und Gesundheitssystem und sind gespannt auf noch mehr veganfreundliche Neuerungen.

Der Artikel Veganfreundliche Krankenkassen – gibt es das? wurde von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt veröffentlicht.

http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell